AUSSTELLUNGSHALLE - Schulstraße 1a HH - 60594 Frankfurt a.M. - Tel.:069/96200188
Pressestimmen


 


Die Orgien des Blut-Professors

Von Gabriele Nicol

Im August 1998 hat Hermann Nitsch im österreichischen Prinzendorf sein umstrittenes sechstägiges "Orgien Mysterien Theater" aufgeführt. In Frankfurt wird es mit Fotos, Videos, Partituren, Bildern und Objekten dokumentiert.

Der Wiener Aktionist Hermann Nitsch, der seit 1989 an der Frankfinter Stadelschule unbeamteter Professor für interdisziplinäre Kunst ist, hat sich damit zu seinem 60. Geburtstag seinen eigenwilligen Lebenstraum, ein Stück weiter erfüllt: Das, 6-Tage-Spiel-. war eine Station seines lebenslangen Projektes, mit dem Nitscb um 1959 zuerst schriftlich begonnen hat. Irgend wann beschloss er, das Sinnenhafte nicht mehr durch das Wort, sondern durch die Tat auszudrücken. Er sieht das - nicht ohne Vermessenheit - in, großen Zusammenhängen wie Wagners "Ring", Goethes Faust" oder ,Die letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus - als ein Gesamtkunstwerk- Prinzendorf ist mein Refugium, mein Theater, mein Bayreuth."

Das kultische, blutige, orgiastisehe Spektakel mit 200 Akteuren (unter ihnen eine Reihe Städelstudenten) und 250 Musikern aus 20 Ländern hat heftigstes Für und Wider ausgelost. Eigentlich war der Verlauf des Spieles mit einem Belagerungszustand zu vergleichen, und dies im Negativen wie im Positiven", hat Nitsch in seinem Ausstellungskatalog 1998 des Wiener Museums für Moderne Kunst berichtet. Er sieht das "Orgien Mysterien Theater" als einen Ubergang auch seiner Blut- und Kot-Malerei in die Aktion und betont, dass alles, was ich mir bei meinen Aktionen ausgedacht habe, nicht nur in der Fantasie der Menschen besteht, sondern zu aller Zeiten von Menschen tatsächlich realisiert worden ist". Er verweist auf den Kreuzestod Christi, die Zerreißung des Dionysos, die Blendung von Ödipus, die Tötung von Adonis und Orpheus. Dass aber bei seinem Einsatz von Kreuzen, liturgischem Gerät im Zusammenhang mit Blut und Opfertieren gerade die christliche Religion in den Mittelpunkt rückt (und viele Christen sich getroffen fühlen), erklärt er schlicht: Ich komme eben aus einer christlichen Tradition." Sind seine Blutaktionen, ist das Spektakel blasphemisch? In

meiner Arbeit gibt es keine Blasphemie, das liegt mir fern. Blasphemie ist von der Haltung abhängig", sagt er kühn. Seine Absicht sei die "kultische Verehrung des Lebens", zu dem eben auch Sexualität, Leid und Tod gehören; das 6-Tage-Spiel" sei ein Festspiel ohne traditionelle Religionen": Das Sinnliche und die Mythen sind ja kein Gegensatz." Es hat vom Orgien Mysterien Theater immer wieder veränderte Aufführungen gegeben, im Dezember 1972 zum Beispiel auf Einladung Peter Kubellkas (der Filmer ist Erfinder der Kochklasse an der Städelschule) eine 12-Stunden-Aktion in New York, dann 1984 ein 3-TageSpiel. Sechs Tage wie im abgeschotteten Prinzendorf das war eine exzessive Arbeitswoche.

Was soll nach dieser orgiastischen Woche noch kommen? Was man dort erlebt hat, soll sich auf das Leben übertragen", so Nitsch. Seine Arbeit sei als eine Schule der Empfindung zu verstehen. Empfindungen wirken auch die Relikte seines Projektes in der Ausstellung. Die Videos zeichnen den Ablauf der exzessiven, abstoßenden Aktionen nach. Die Blutleinwande wie die Kreuze und Bahren sind in Prinzendorf benutzt worden. Die Partitur ist nachzulesen. Die Fotos zeigen im Nebeneinander die Gleichwertigkeit etwa von von Früchten und Gedärmen, von Menschen und Tieren. Ich habe mich hineingewühlt in die Elementarsinnlichkeit, die die Archaik von Kultvorgängen und Opferritualen und die Ausdruckskraft von Kindergeschmiere hat." An der Städelschule bleibt Nitsch bis zum Sommersemester 2003, dann wird er 65. 1995 hat er der Wiener Staatsoper erfolgreich das Bühnenbild zu Massenets "Herodiade" geschaffen; für 2003 ist Hermann Nitsch zum "Parsifal" aufgefordert worden.

Schulstraße la. bis 14. Januar - (geschlossen: 24. und 31. 12.). Dienstag bis Sonntag 14-19 Uhr.

Die Ausstellung ist Jugendlichen nicht zugänglich.

Hermann Nitsch erklärt dort am Samstag, 9. Dezember, um 15 Uhr seine Arbeit.

 

(Frankfurter Neue Presse vom 08.12.00)

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Fünf junge Künstler aus Krakau servieren Borscht

Frankfurt. Fünf Absolventen der Kunstakademie Krakau, der ,heimlichen Hauptstadt Polens", zeigen vorn 17. November bis zum 3. Dezember ihre Werke in der Partnerstadt Frankfurt. Die Schau ist im Rahmen der Art Krakau 2000 unter dem Motto "Borszcz" in der Ausstellungshalle Schulstraße 1A zu sehen. Die Ausstellung eröffnen Eduard Hechler, Leiter der Abteilung Städtepartnerschaften der Stadt Frankfurt, und Sabine Jung vom Berufsverband Bildender Künstler am Freitag, 17. November, um 18.30 Uhr. Die die Gäste der Vernissage werden mit echtem polnischern Borscht verwöhnt. (Offnungszeiten bis 3. 12.: Mi-Do 18--21 und Fr-So 14-18 Uhr).

 

Justyna Kieresinska, Agnieska Kucia, Marein Mroczkowski, Lukasz Pazera und Renata Zielinska heißen die jungen Künstler, die j eweils einen Ausschnitt aus ihrem Werk in Frankfurt zeigen. Die osteuropäische Suppen-Spezialität mit der starken roten Farbe soll dabei die frische und kraftvolle Herangehensweise der fünf jungen Künstlerinnen und Künstler symbolisieren. Eine Jury der Städelschule unter Prof. Thomas Bayerle hat die Künstler ausgesucht. Art Krakau 2000 wird von der Stadt Frankfurt im Rahmen der Städtepartnerschaft gefördert. Ziel der Initiative ist die Förderung talentierter junger Künstler der Akademie für Bildende Künste in Krakau.

(Frankfurter Neue Presse vom 16.11.00)


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Borschtsch und Apfelwein

Ausstellung von Absolventen der Kunstakademie Krakau

Von Nikolaus Jungwirth

Zur Eröffnung der Ausstellung von Arbeiten Krakauer Akademie-Absolventen gab es in der AusstellungshaHe Al" Borszcz und Apfelwein. Der quasi rituelle, gemeinsame Verzehr der polnischen RoteBete-Suppe und des Sachsenhäuser Nationalgetränks (dessen säuerlicher Geschmack den polnischen Gästen zugleich eine Ahnung vom aktuellen Zustand der Frankfurter Kulturszene vermitteln konnte) erfolgte zur Vertiefung der Städtepartnerschaft von Frankfurt und Krakau. Die 1 ansonsten banaler leiblicher Bedürfnisbe- friedigung dienenden Lebensmittel erfiffli ten hier die offizielle Funktion als Symbole der beiden verschwisterten Kommunen.

Als zusätzliche Bekräftigung der Freundschaft wurde die Ausstellung der i fünf ausgewählten Künstlerinnen und i Künstler mit dem kulinarischen Titel Borszcz" versehen. Es ist anzunehmen, dass die Gegenausstellung Frankfurter Künstler in Krakau Apfelwein heißen wird.

Die Arbeiten der jungen Krakauer Künstler kennzeichnet eine ernsthafte Beschäftigung mit den malerischen Mitteln. Keiner der Ausstellenden verfällt Üeklenkenloser Experimentierfreude. So fällt zum Beispiel in den Bildern der 1966 geborenen Justyna Kieresinska der sehr bemwusste Umgang mit Farbe, Form und Hell dunkel auf. Die behutsam abstrahierten Landschaftsdarstellungen wirken vor allem durch ihren wohltuend ausgewogenen Bildaufbau und die harmö-ni ebeFarbkomposition.

Ein direkteres Verhältnis zum wahrgenommenen Natureindruck offenbart die Malerei ihres vierundzwanzig Jahre alten Kollegen Marein Mroczkowski. Seine wesentlich impulsivere Arbeitsweise fügt sich keinem strengen System der Abstrahierung. Auf weiten Flächen erscheinen kleine bewegte, schemenhafte Figuren und einmontierte Fotografien von Autos.

Die 1974 geborene Renata Zielinska paraphrasiert auf großformatigen Tafeln einen stehenden weiblichen Akt. Vollkommen ungegenständlich sind hingegen die sehr dekorativen Bilder der Rinfimdzwanzigjährigen Agnieszka Kucia. Weit ausholende Schwünge verleihen ihrer Malerei eine starke Dynamik. Im Unterschied zur ,herkömmlichen Tafelmalerei der übrigen Ausstellenden verzichtet Lukasz Pazera auf handwerkliche Verfahren. Der mit zweiundzwanzig Jahren Jüngste der Gruppe widmet sich der Coniputergrafik. Seine technisch erzeugten Blätter zeigen organisch wirkende Strukturen, die an Erdformationen und andere natürlich entstandene Erscheinungen denken lassem -~ , -- ,

Die polnische Suppe und-ihr schwietriger Name stellen die einzigen folkloristis£ii~gef IiiderAusstelfun~dai.-Pölen-ist ein wesentlicher Teil der europäischen Kulturlandschaft. Und so widerspiegeln auch die Arbeiten* der Rinf Krakauer Ma-, ler einen Ausschnitt der gewohnten Skala künstlerischer. Tendenzen der Moderne.

AusstellungsHalle IA, Schulstraße IA, bis 3. Dezember.

(Frankfurter Rundschau vom 27.11.2000)

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Mao in Neon

"London Knocks" von Thomas Küpper

Von Silke Hohmann

Wer Madonna, Andreas Baader, Hitler, einen unbekannten Londoner und Muharnmed Ali unter völliger Gleichbehandlung nebeneinander hängt, braucht dafür einen guten Grund. Er muss nachweisen, dass es eine Verbindung gibt, die Diktator und Bürger, Popstar und Revolutionär gleich macht. Er muss die Geschichte erzählen, die sich zwischen ihnen abgespielt hat, damit daraus eine Information wird und die Aneinanderreihung ihrer Abbilder nicht beliebig bleibt. Thomas Kilpper hat seine Protagonisten auf Stoffbahnen gedruckt und in der Schulstraße 1A auf einer Wäscheleine aufgereiht. Da wehen sie sanft hin und her, doch ihre gemeinsame Geschichte erzählt sich nicht von selbst. Die Ausstellung London Knocks" kommt ohne gewisse Mitteilungen nicht aus, aber die sind sehr spannend: Alle Fäden laufen im wenig prominenten Londoner Stadtteil Southwark zusammen, und dort hat auch die derzeit ausgestellte Arbeit des 1956 geborenen Kilpper ihren Ursprung. Das hätte dem unscheinbaren Bürokomplex Orbit House" keiner zugetraut: Eine berühmte Boxarena namens The Rine befand sich in dem Fünfziger-Jahre-Bau vor dem Krieg, noch früher eine achteckige Kapelle aus dem 18. Jahrhundert, und eines der ersten Kinos in London. In der Nachkriegszeit richtete das Verteidigungsministerium dann eine geheime Druckerei ein, und spätestens an diesem Punkt seiner Recherchen muss KlIpper gewusst haben, dass er im Orbit House an der richtigen Adresse ist. Hatte er doch kurz zuvor auf dem Fußboden der Turnhalle des ehenialigen US-Militärlagers Camp King in Oberursel einen gigantischen Holzdruck fertiggestellt und war auf der Suche nach einem ähnlich geeigneten Gebäude in London. Im zehnten Stock stellte man ihm 400 Quadratmeter Mahagoniparkett zur Verfü- gung. Doch der ehemalige Städelschüler beutete das zum Abriss vorgesehene Gebäude nicht einfach aus.

Mit den in den Fußboden geschnitzten Portraits vermachte er dem Haus ein Archiv seiner Geschichte. Denn die von ihm eingravierten Personen haben hier direkt oder indirekt Station gemacht. Shakespeare, indem er Stücke schrieb, die hier aufgeführt wurden. Hitler, indem er The Ring zwei mal bombardieren ließ. Kilppers britischer Nachbar Henry Abraham, weil er als junger Mann hier Boxkämpfe ansah. Alfred Hitehcock, weil er hier 1928 seinen Film The Ring drehte. Und Richard Wagner, weil er eben auch einen Ring komponierte, wenn auch den des Nibelungen. Das Gespinst von Kilppers Verweisen ist dabei keiner Wissenschaftlichkeit verpflichtet, schließlich ist er Künstler und nicht Historiker. Die Abdrucke seines monumentalen Bodenbildes füllen die Galerie in der Schulstraße wie eine Raumskulptun Unter den Orbit-House-Gesichtern finden sich immer wieder Konterfeis, die so bekannt sind, dass sie mittlerweile selbst zum Zeichen geworden sind. Sie sind die prominenten Akteure des Ring, und trotzdem sind sie nur Stellvertreter für etwas anderes, nicht so leicht Abzubildendes. Marlene Dietrich oder Benno Ohnesorg und die junge Frau, die dem Sterbenden den Kopf hält, sind da auf löchriges Tuch gedruckt. Auch für Kate Moss oder Mao auf Neon gibt es keinen ersichtlichen Grund. Außer dem, dass Küpper es ist, der hier die Geschichten erzählt. Besserwisserei gilt nicht, denn wer sollte es besser wissen? So hat es auch mit der Darstellung einer riesigen, aber auf grellbuntem Stoff fast nicht zu erkennenden Vagina samt daran herumfummelnder Hand sicher seine Bewandtnis - und sei es nur als kleiner, weitgehend unbemerkter Scherz bei so viel Andacht im Angesicht der Geschichte.

De Ligt, Sc;iiilstraße ]A, bis 1. Ok-tober.

(Frankfurter Rundschau vom 21.09.2000)

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Spaziergänge mit den Augen

"Ruhelos" in der Zeit-Kurve - Die AusstellungsHalle eröffnet eine Präsentation mit Werken der Frankfurter Künstlerin Saskia Schüler

Von Dorothee Baer-Bogenschütz

Scharf geht Saskia Schüler in die Kurve. Dabei hockt sie am Tisch wie an einer Nähmaschine, lässt riesige "Stoffmengen" unter ihren Händen flink entlang gleiten, und die Striche, die sie währenddessen macht, sehen aus wie Stiche. l~ Mit spitzem Stift, unglaublicher Geduld und glasklarer Konzeption überträgt sie das Pixelraster einer Computerzeichnung Strichfolge für Strichfolge auf eine semitransparente Kunststofffolie, wie sie auf Baustellen zur Abdeckung verwendet werden. Der ungewöhnliche Bildträger ist mit 260 mal 200 Zentimetern größer als ein gewöhnliches Doppelbett, passt so gerade auf den Boden im hinteren Atelierraum und dient dazu, eine bemerkenswert banale geometrische Gestalt aus der zivilisierten Welt ausstellungsfähig aufzubereiten: eine Straßenkurve. Ohne Autos, ohne alles andere. So weit, so gut.

Nun ist die Kurve freilich nicht fürs dumme Herumliegen gedacht, sondern für die Präsentation in einem Raum, wo sie frei hängen kann, Ihn bietet die Sachsenhäuser AusstellungsHalle". Dort will die Frankfurter Künstlerin vom 4. August an für knapp zwei Wochen Besucher zum Betrachten der beiden Seiten ihrer Folie auffordern.

Je nachdem, ob man die Vorder- oder Rückseite anschaut, sieht man eine Rechts- oder eine Linkskurve.

"Rechts" und"Links" sind auch die Worte, die auf einem anderen, thematisch verwandten Baufblien-Bild tausendfach in Rot undSchwarz in akkuraten Buchsta benkolonnen untereinander stehen. Nichts Besonderes? Doch. "Es geht mir nicht bloß darum,. einen Begriff zum Bild werden zu lassen" sagt Saskia Schüler,"sondern mit meinen Arbeiten einen Be-Eindruck, zu vermitteln

Wer Schülers Kunstwerk mit den Kurven umrundet hat, hat eben nicht nur Echtzeit investiert, sondern gewinnt den im Rahmen eines fiktiven Zeitfensters zugleich eine bestimmte Wegstrecke durchmessen zu haben. Saskia Schüler denkt dialektisch um die Ecke.

Ihre Schranke", nach einem ähnlichen System per,Computer und in unermüdlicher Handarbeit reproduziert, funktioniert ebenso. Diesmal hat die Malerin, die 1994 begann, auf den PC umzusteigen, ein Bleistiftraster mit Acrylpixeln übersäht, .........

(Frankfurter Rundschau vom 02.08.2000)

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F R EI BAD

Kunst und Kopfsprung

Er ist Frankfurts bekanntester Künstler - wenn auch vorerst noch nicht dank seines Werks, sondern seiner Person. Der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt und dem Seehundbart, mit der breiten Brust und den muskulösen Beinen ist jedem Besucher des Stadion-Freibads ein Begriff. Seine athletische Erscheinung verleiht Ernst Czaronek die nötige Autorität, wenn er die übermütigen Halbwüchsigen zurechtweist, weil sie die Rutschbahn hinaufklettern oder auf der Liegewiese Ball spielen. Denn er ist hier nicht zum Vergnügen, sondern versieht seinen Dienst als Bademeister.

Kaum einer der Badegäste ahnt, dass dieser kraftstrotzende Körper von sensiblem Sinn für die Kunst beseelt ist, der sich in sehr eigenwilligen Produktionen Ausdruck verschafft.

Der sportive Künstler ist ein klassischer Auiodidakt. Sein Interesse für die Kunst wurde auf dem Floh marki geweckt, wo er alte Bilder entdeckte und sammelte. Später fand er darin zu einer neu Ausdrucksform, die seiner Physls angemessen ist: Mit Kettensäge, Axt und anderen robusten Werkzeugen verfertigt er zum Teil überlebensgroße Holzskutpturen.

Schon die erste Ausstellung seiner Arbeiten findet in einer bereits renommierten Galerie statt : in der Sachsenhäuser Ausstellungshalle, von Robert Bock.

(Journal Frankfurt vom 21.07.2000)

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Kontext macht Kunst

"The Art or the Kartoffelquestion": Erdelmeier & Schneider

Von Sandra Danicke

Zunächst mal Kartoffeln, dann Architektur. Natürlich könnte man auch von Malerei sprechen. Oder von sozialphilosophischen Modellkonstellationen. In Wahrheit sind Kartoffeln aber nun mal in erster Linie Kartoffeln. Als solche haben sie in der Kunst nichts zu suchen. Würde Ad Reinhardt wohl sagen. Einer wie, sagen wir Beuys, würde das vermutlich anders sehen - aber nochmal von vorne: In der AusstellungsHalle Schulstraße hegen Kartoffeln auf dem Boden verstreut. Thomas Erdelmeier und Manfred Schneider haben sie dort hingelegt. In eine hölzerne Rahmenarchitektur geworfen, die ein wenig an eine Mischung aus Gewächshaus und Hasenstall erinnert und also Landwirtschaft symbohsiert. Oder doch nicht? Vielleicht sind die goldbraunen Knollen, die sich zu seltsamen Formationen zu fügen scheinen, auch eine Referenz an Jackson Pollocks All-over-Drippings. Könnte natürlich auch sein, dass die Kartoffeln Bevölkerung symbolisieren. Schaut man aus dem hölzernen Kiosk, den die Künstler dahinter gesetzt haben, in Richtung Kartoffelfeld, sieht es ein wenig so aus. In dem Kiosk befindet sich ein Mikrophon, man kann von hier aus zur Masse sprechen.

 

Zu den Kartoffeln also. Natürlich auch zu den Besuchern, vorausgesetzt, man hat etwas zu sagen. Wie Mirek, der sein Kartoffelsuppenrezept mitteilt oder Thomas, der die deutsche Kartoffel ernphatisch-ironisch zum Blut-und-Boden-Symbol stilisiert. Oder der Sozialpädagoge Klaus Ronneberger, der als Eröffnungsredner über städtische und vorstädtische Lebensräume referiert. ,The Art or the Kartoffelquestion" ist der Titel der Ausstellung, und die Kartoffelfrage lässt sich so einfach nicht klären. Vorausgesetzt, es geht nicht um Sieglinde oder Galatiner, um festkochend oder mehlig, sondern um die Frage, was denn daran nun eigentlich Kunst sei. An den Kartoffeln etwa. In die kann man interpretatorisch ja so ziemlich alles hineindichten. Energiespeicher etwa, agrarpolitische Utopien oder Kartoffelsalat.

Die Kartoffel als Projektionsfläche lässt sich mit Inhalten füllen, genau wie der Kiosk. Oder ein Aschenbecher, der sowohl Kippengefäß als auch Design oder Kunst sein kann - je nachdem. Ein Stein kann ein Kunstwerk sein, wenn er im Galerieraum etwas Bestimmtes exemplifiziert. Auf der Straße ist er ein Stein. Genauso ist es mit Staubtüchern. Oder Kartoffeln. Kontext macht Kunst, und alles macht Sinn. Mit den Augen der Kartoffel betrachtet bestimmt.

(Frankfurter Rundschau vom 01.11.2000)


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Aus der Kapelle in den Boxring

Herbst in der Seele: Die Frankfurter Galerien beginnen die Saison

Lucian Freuds graphisches Werk, das jetzt bei der Galerie Meyer-Ellinger zu sehen ist, stellt ohne Zweifel den Höhepunkt des diesjährigen "Saisonstarts" der Frankfurter Galerien dar. Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Marlborough Fine Art London und der Matthews Marks Gallery New York zustande kam, ergänzt aufs Glücklichste eine Ausstellung mit Gemälden Freuds, die Ende September im Frankfurter Museum für Moderne Kunst beginnt. Meyer-Ellinger zeigt wird eine.bestechende Auswahl von Radierungen des großen britischen Künstlers, die vornehmlich aus den achtziger und neunziger Jahren stammen. Ein grandioses "Self Portrait, Reflection" von 1996 ist für-85 000 Mark zu haben (Nummer 45 aus der Auflage von 46 Exemplaren). Freuds stupende Kunst, einen Menschen zu erfassen, wird in seiner 1999 entstandenen Radierung l'Head of an Irishman" besonders anschaulich. Unter seinen Mädchenköpfen, von denen Meyer-Ellinger eine berückende Auswahl präsentiert, besticht "Head of Ib" aus dem Jahr 1988 durch herben Ausdruck (18 000 Mark). Die Radierung "After Chardin", entstanden erst in diesein Jahr für die grandiose "Encounters" -Ausstellung der Londoner National Gallery, ist das letzte noch verfügbare Blatt der Auflage von insgesanmt 46 Exemplaren, gut 60 mal 73 Zentimeter groß. Das Blatt ist mit 80 000 Mark angesetzt, Die Körperlichkeit und ihr Verfall sind die eroßen Themen von Lucian Freud, die er dem Betrachter oft mit erschrekkender Deutlichkeit vor Augen führt. Eine nicht übermäßig attraktive "Woman with arm tattoo" ist auf einer 60 mal 43 Zentimeter großen Radierung aus dem Jahr 1996 zu sehen (56 000 Mark). (Bis 4. November.) Nicholas Serota von der Londoner Tate Gallery zeigte für den Frankfurter Künstler Thomas Kilpper deutlich mehr Interesse als die ortsansässigen Galeristen: Als der Absolvent der Städelschule, der zur Zeit mit einem Stipendium der Hessischen Kulturstiftung ein Jahr lang in London arbeitet, seine dort entstandene Installation "Orbit House", bestehend aus einem Riesenholzschnitt und Stoffdrucken, vor kurzem in der South London Gallery ausstellte, erwarb Serota gleich eine ganze Reihe der Arbeiten von Kilpper.

Kein Echo bei den Frankfurter Galeristen hatte der Künstler gefunden, als er 1998 im benachbarten Oberursel seine ganz ähnlich konzipierte Meisterschülerarbeit im einstigen "Camp King" vorstellte. Und jetzt ist es auch eine sogenannte Off-Galeristin, Natalie de Ligt, die in der Sachsenhausener Ausstellungshalle mit "Orbit House" einen der starken Eindrücke dieses Kunstherbstes in Frankfurt bietet.

Thomas Kilpper ist ein Historienmaler der unüblichen Art. Er setzt sich mit derGeschichte leerstehender Gebäude aus einander und schnitzt dort in den Holzboden "das, was dieser Ort erlebt hat". In "Orbit House", in der Nähe der Tate Mo dern, war die Suche ergiebig: Das herun lergekommene Verwaltungsgebäude aw den sechziger Jahren diente früher Ü printing office, also als Druckerei der Ar mee und beherbergte die orientalisch( Sammlung der British Library. Zuvo stand hier eine um 1780 errichtete, in Zweiten Weltkrieg zerstörte runde Kapelle, die 1910 zu einem jahrzehntelan~ überaus populären Boxring wurde. Di( bunte und an Figuren reiche Vergangen heit des "Orbit House" hat Kilpper dor in einen 400 Quadratmeter großen Parkettboden geschnitzt, als Druckvorlag( für faszinierende großformatige Bilde auf Stoff, Papier oder UV-Folie. Sie ko sten in Dreier-Auflage jeweils * 500( Mark, die einzelnen Bildteile des Holzbo dens, Meist etwa zwei mal 1,80 Mete groß, sind mit jeweils 4000 Mark ange setzt. (Bis 1. Oktober). In der Galerie Bärbel Grässlin fäll der Blick gleich auf den "Herbst in de Seele", wie in passender jahreszeitliche Entsprechung auf einem großen C-Print zu lesen steht, das einen aufgeklappte~ Cellokasten mit großem roten Munc zwei rote Handschuhe und grünes Gc strüpp zeigt. Werner Büttner hat diese fotografische Unikat im Jahr 1999 g( schaffen, das eine Aufnahme einer vo:

(Frankfurter Allgemeine Kunstmarkt vom 09.09.2000)


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