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Afrika liegt an der Seine Paris ist eine afrikanische Metropole: Die Schau "Black Paris" im Frankfurter Museum der Weltkulturen schlägt den Bogen von Geschichte zu Gegenwart - in der Kunst. Von Eva-Maria Magel, Frankfurt | ||
Eine schicke Blondine nimmt hinter dem schwarzen Fahrer auf dem Motorroller Platz, das Paar saust durch Paris, abends sitzt eine gemischte Runde von Schwarzen und Weißen diskutierend beim Abendessen im Quartier latin: "Afrique sur Seine", "Afrika an der Seine", heißt der Kurzfilm von Paulin Vieyra und Mamadou Sarre aus dem Jahr 1957. Auch "Afrique sur Seine" ist bei "Black Paris - Kunst und Geschichte einer schwarzen Diaspora 1906 bis 2006" zu sehen, so der Titel der Schau im Frankfurter Museum der Weltkulturen und in der Ausstellungshalle Schulstraße1A. Konzipiert hat sie das Iwalewa-Haus, Forschungseinrichtung und Ausstellungshaus der Afrikanistik an der Universität Bayreuth. "Black" waren die ersten schwarzen Künstler und Intellektuellen, die zu Beginndes 20.Jahrhunderts Paris als Entfaltungsort zu schätzen wussten - sie kamen vor allem aus den Vereinigten Staaten. "Black" oder französisch "blaque" nennen sich heute die jungen Schwarzen, nicht zuletzt jene, die Paris nicht als Ort der Entfaltung empfinden, sondern ihre Kindheit in den Gettos der Vorstädte verbracht haben, die im Herbst 2005 brannten. Ihre beengten Lebensverhältnisse thematisieren Arbeiten wie Barthélémy Toguos Installation eines mit Tüten bepackten Stockbetts, wie die meisten aktuellen Arbeiten in der Schulstraße 1A zu sehen. Von der Galerie 37 im Museum bis dorthin ist es ein weiter Bogen, den die Schau schlägt. Ihre Grundthese: Paris ist eine schwarze Metropole. Nicht nur, weil heute jeder fünfte der 12 Millionen Einwohner im Großraum Paris afrikanische Wurzeln hat. Vielmehr geht es um Paris als Kreuzung, Umschlagplatz, Ort der Begegnung und der Zusammenführung, des Verwerfens; ein Ort, bedeutend wie kaum ein anderer in der Kunst - und Geistesgeschichte des 20.Jahrhunderts. Folgerichtig ist es die Kunst, aus der die Ausstellung ihr Anschauungsmaterial gewinnt. Am Anfang steht die Entdeckung Afrikas durch die europäische Moderne. 1906 hat sich Picasso zum ersten Mal mit afrikanischen Masken beschäftigt, die "art nègre" wird zum begehrten Sammlerobjekt, ausgestellt Seite an Seite mit Werken von Gauguin oder Matisse. Genau jenes Seite an Seite allerdings ist die spannendste Frage der Schau. In Paris wurde seit den vierziger Jahren in Zeitschriften und bei Symposien "Afrikanität", "négritude", definiert; eine aus vielerlei Nationalitäten zusammengesetzter Künstler - und Intellektuellengemeinschaft stellte schwarzes Selbstbewusstsein der europäischen Dominanz entgegen. Mit den Künstlern und Denkern dieser Zeit verkehrte auch Josephine Baker. An ihr zeigt die Schau, quasi als Hingucker, künstlerischen Erfolg, die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und den äußeren Erwartungen. Baker, die 1925 als |
Amerikanerin nach Paris kam und dort zunächst virtuos auf der Klaviatur des Exotismus spielte, wurde angeblich "französischer als die Franzosen Es ist gerade Josephine Baker, die 2002 auf einem Gemälde von Hasan Musa auftaucht: Es zeigt den Schriftsteller und Ethnologen Michel Leiris, wie er sich über ihren legendären Bananenrock beugt, um "die Echtheit der Bananen zu überprüfen". Das satirische Sujet trifft eine Kernfrage, die auch bei der von Okwui Enwezor kuratierten documenta X oder bei internationalen Ausstellungen wie "Africa Remix", die 2004/2006 afrikanische zeitgenössische Künstler, unter ihnen Musa, präsentierte, diskutiert wurde. Was heißt "afrikanische Kunst"? Wer definiert sie? Und wie soll sie präsentiert werden? Der exzellente Katalog zu "Black Paris" hilft weiter, wo die Texttafeln in der Schau naturgemäß knapper ausfallen müssen: Schließlich ist Ausstellung und Katalog ein dreijähriges Forschungsprojekt vorangegangen. Die Ausstellung selbst hat sich bei diesen aktuellen Fragen, ganz "Black Paris", für ein Seite an Seite entschieden. In der Gegenwart, wenn Künstler wie die Österreicherin Friederike Klotz sich mit den Hellsehern und Marabuts in den Pariser Vorstädten befassen oder Michèle Magema in einer an Bruce Nauman erinnernden Videoarbeit "Rituel" ihren Alltag als Pariserin kongolesischer Herkunft befragt. In der Geschichte, als mit Picasso etwa der Afrokubaner Wifredo Lam (1902-1982) ausstellte. Der sich wiederum mit den Arbeiten des Dichters Aimé Césaire befasste, wie Léopold Sédar Senghor ein Vordenker der "négritude". "Black Paris", so zeigt sich, ist ein kunstvoll verschlungenes Netz, das die Entdeckung lohnt. "Black Paris" ist im Museum der Weltkulturen (Schaumainkai 37) bis zum 4. November Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr zu sehen (Internet: www.mdw-frankfurt.de). Die Teilschau in der Ausstellungshalle Schulstraße 1A läuft bis 10. Juni, Mittwoch von 12 bis 22 Uhr, Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr (Internet: www.kunstfueralle.de). Eine Reihe von Führungen, Vorträgen und Werk-Kursen im Interkulturellen Atelier des Museums begleitet die Schau. Am 15. Juni um 19 Uhr findet ein Künstlergespräch mit Barthélémy Toguo statt. Der Fernsehsender Arte zeigt am 25. April, am 23. Mai und am 19. September jeweils um19 Uhr begleitende Filme. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 01. 04.
2007 |
Das
Lächeln der Josephine Baker Die Ausstellung «Black Paris» vermittelt ein vielschichtiges Bild interkultureller Beziehungen Von Angela Schader | |
Paris war und ist ein Knotenpunkt der schwarzen Diaspora - für Intellektuelle und Künstler wie auch für einfache Arbeitsmigranten. Die Schau «Black Paris» zeigt westliche Inszenierungen des «Afrikanischen» und ihre vielfältigen Gegenentwürfe. «Ich begreife das Projekt ‹Black Paris›, in all seiner historischen Komplexität, als einen neuerlichen Beitrag zum Monument eines moralischen und ästhetischen Missverständnisses.» So harsch urteilt der 1951 im Sudan geborene Maler und Kunsthistoriker Hassan Musa über die von Tobias Wendl, Bettina von Lintig und Kerstin Pinther realisierte Schau zu «Kunst und Geschichte einer schwarzen Diaspora», die derzeit im Frankfurter Museum der Weltkulturen zu sehen ist, bevor sie Ende 2007 nach Paris weiterzieht. Was Musa ablehnt, ist insbesondere die Tatsache, dass Begriffe wie «schwarz» oder «Afrikaner» unterschiedlichste Kulturen in eine scheinbare Einheit binden. Freilich liegt in genau dieser Idee einer der Brennpunkte in der Geschichte des «schwarzen» Paris - nämlich die Bewegung der Négritude, die von hier ihren Ausgang nahm und die eine die innerafrikanischen Grenzen transzendierende und auch die Diaspora einbegreifende «afrikanische» Identität postulierte. Musas Reflexionen sind insgesamt bedenkenswert; doch wird sein Urteil der Ausstellung wirklich gerecht? Assemblage von DenkanstößenDas «Black» im Ausstellungstitel subsumiert
Intellektuelle und Künstler afrikanischen Ursprungs, die sich in der
französischen Metropole aufhielten, ebenso wie die in den beiden
Weltkriegen aufgebotenen «tirailleurs sénégalais»; das aus den USA
importierte Jazzfieber der zwanziger Jahre wie auch den Rap der
revoltierenden Banlieue-Jugend. Neben die im Westen gängigen Zerr- und
Wunschbilder von Afrika werden die oft bissigen Repliken afrikanischer
Kulturschaffender gerückt, und man erfährt von den Hoffnungen und
Enttäuschungen, die sich auf unterschiedlichsten Ebenen mit der «ville des
lumières», dem Hort von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit,
verbanden.
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afroamerikanische Diaspora nur im Katalog zur Sprache
kommt und ihre literarischen Vertreter dort praktisch ausgeblendet
bleiben, wird das in der frankophonen Literatur formulierte Verhältnis
schwarzer Autoren zu Europa und zur afrikanischen Identität in mehreren
Aufsätzen reflektiert. Vielschichtig
Damit sind freilich lediglich die Eckpunkte einer
vielschichtigen Auseinandersetzung markiert, welche die Ausstellung vor
allem mittels der bildenden Kunst sichtbar macht. Die Durchschlagskraft,
mit der afrikanische Stammeskunst die europäische Malerei und Skulptur in
den zwanziger Jahren beeinflusste, kann in der Ausstellung zwar nicht
anhand ihrer wichtigsten Zeugnisse illustriert werden - ein Werk von
Picasso auszuleihen, lag wohl ausserhalb des Budgetrahmens; doch mit dem
vorhandenen Material wird intelligent gespielt, indem etwa eine Vitrine
mit afrikanischen Masken und Skulpturen auf einer Seite von
«afrikanisierenden» Arbeiten des polnischstämmigen Künstlers Jean
Lambert-Rucki aus den zwanziger Jahren flankiert ist, auf der andern von
einem Gemälde des Senegalesen Chéri Samba, das den unbekannten Schöpfern
der in europäische Museen entführten afrikanischen Kunstwerke Ehre
erweist. |
"Black
Paris" Bauchtanz im Takt der Marseillaise Von Sylvia Staude | ||
Das Schokoladenmuseum im belgischen Brügge formuliert auf
seiner deutschen Homepage recht unbefangen: "1914: Einführung in
Frankreich von Banania, das Bananenmehl mit Schokoladengeschmack, welches
die Frontsoldaten in den Gräben aufwärmt." Das süße Banania und den
bitteren Krieg bringt auch das Frankfurter Museum der Weltkulturen
zusammen, aber die Soldaten, die dort zu sehen sind, wärmt keine
Schokoladenspeise mehr: Der neunminütige Animationsfilm L'ami y' a bon
(2004) von Rachid Bouchareb erzählt, wie französische Truppen am 1.
Dezember 1944 senegalesische Tirailleurs mit Panzern umstellten und
niedermetzelten, weil sie den ihnen versprochen Sold auch tatsächlich
verlangten. Frisiert mit "Bakerfix" Und so kommt diese Ausstellung an Josephine Baker nicht vorbei, die einer der Gründe für die - in den zehner und zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die künstlerische Avantgarde erfassende - "Negrophilie" war. Ihre Revue war Kult, ihr Bananen-Röckchen Wahrzeichen wie auch ihr kunstvoll arrangiertes Haar, so dass es später genügte, mit dem Umriss ihres schmalen Kopfes und dem typischen Haarkringel auf der Wange zu werben, und jeder wusste, es geht um die Baker. So angesagt war ihr Stil, dass eine Firma Haarpomade namens "Bakerfix" verkaufte; die Ausstellungsmacher haben eine Schachtel mit Tübchen aufgetrieben. |
Auch die jüngeren Künstler mit Migrationshintergrund, wie
sie die Ausstellung versammelt, scheint die quecksilbrige Tänzerin nicht
loszulassen. Hassan Masa hat sie 2001 in seine großformatige Allégorie à
la Banane gemalt. Dazu eine bleiche, geisterhafte Gestalt. |
Kunst und Geschichte: Das schwarze Paris in Frankfurt | ||
Afrika liegt in Paris: Fast jeder
fünfte der 12 Millionen Bewohner im Großraum hat afrikanische, karibische
oder afroamerikanische Wurzeln. Was es auf sich hat mit der „Geschichte
und Kultur einer schwarzen Diaspora 1906 – 2006“, das untersucht
jetzt „Black Paris“, eine Ausstellung im Frankfurter Museum der
Weltkulturen. „Black“, weil das englische Wort seit geraumer Zeit die
Identität schwarzer Pariser bezeichnet. Vielleicht, weil es viele
Afroamerikaner waren, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der
europäischen Metropole eine auch künstlerische Freiheit suchten, die sie
in den Vereinigten Staaten nicht leben durften. 1906 entdeckte Picasso
jene afrikanische Maske, mit der eine Epoche der „Negrophilie“ einsetzte.
In den zwanziger Jahren machte die Amerikanerin Josephine Baker Furore,
die später „J’ai deux amours, mon pays et Paris“ sang und als Französin
für die Résistance arbeitete. In Shows, im Boxring und mit den schwarzen
Soldaten im Ersten Weltkrieg begann der Eintritt des schwarzen Körpers in
die Pariser Gesellschaft der Moderne. |
sondern „black, blanc, beur“, schwarz, weiß und arabisch, wie die multikulturelle Mannschaft. Sieben Jahre später brannten die tristen Vorstädte von Paris, in denen vor allem die „blacks“ und die „beurs“ ein Leben am Rande führen. Der aus Kamerun stammende Künstler Barthélémy Toguo hat damals Bewohner dieser Viertel gebeten, ihre Meinung auf eine an ihn adressierte Postkarte zu schreiben (unsere Abbildung). Diese und andere aktuelle Kunst ist vor allem in der Ausstellung Schulstraße 1 a zu sehen, die mit dem Museum kooperiert. „Black Paris“ ist eine Übernahme aus dem Iwalewa-Haus, Forschungsstelle und Museum für afrikanische Kultur der Universität Bayreuth, der ein dreijähriges Forschungsprojekt voranging. Das schlägt sich auch in einem umfangreichen Begleitprogramm und dem ausgezeichneten Katalog nieder. Nicht nur räumlich sprengt diese Schau also den Rahmen des Üblichen. Bis 4. November im Museum der
Weltkulturen; |
Sehnsucht in der
"Kontaktzone" Ausstellung Von Felix Helbig | ||
Man tanzt, frau sinniert
Ein wenig entsetzt ihn die Situation schon, den
Ausstellungsmacher aus dem beschaulichen Bayreuth. Da hat sich Tobias
Wendl an diesem Donnerstagmittag erfolgreich an der Baustellen-Serie am
Sachsenhäuser Mainufer vorbeigemüht, hat im Museum mit den drei Häusern
sogleich den richtigen Bau ausgemacht und darin auch seine
Kooperationspartnerin Anette Rein sofort entdeckt. Aber die Situation im
Haus! Natürlich sei es eine "glückliche Fügung", dass die Frankfurter bei
"Black Paris" mit aufgesprungen sein, sagt Wendl. "Aber gerade jetzt zeigt
sich wieder, dass dieses Museum dringend erweitert gehört." |
europäischen Nationen Überlegenheit gefeiert, in deren
Negrophilie die "Wilden" nicht mehr sind als kuriose Belustigung wie die
als "Hottentotten-Venus" bekannt gewordene Saartjie Baartman. Das Thema
wandelt sich erst mit der Aneignung schwarzer Kunst durch die Pariser
Avantgarde, mit der sich die Frage nach Entschädigung verbindet. http://www.kunstfueralle.de FR online von 17.03.1007 |
Museum der Weltkulturen zeigt Ausstellung «Black Paris» | ||
Bis zum 4. November 2007 findet die Ausstellung statt. Frankfurt (dpa) Das Leben und Wirken der afrikanischen Diaspora in Paris und ihren Einfluss auf die Kunst zeigt von diesem Freitag an die Ausstellung «Black Paris» im Frankfurter Museum der Weltkulturen. «Mit der Ausstellung wird eine Lücke in der Forschung geschlossen», sagte die Museums-Direktorin Anette Rein am Donnerstag. Bisher sei die Bedeutung der Schwarzen auf die Kunststadt Paris nicht gewürdigt worden. Fast acht Monate bis zum 4. November ist die vom Bayreuther Iwalewa-Haus konzipierte Schau mit insgesamt rund 300 Exponaten in |
Frankfurt zu sehen. Ein Teil der Objekte wurde in die
Ausstellungshalle an der Schulstraße 1a ausgegliedert. |