AUSSTELLUNGSHALLE - Schulstraße 1a HH - 60594 Frankfurt a.M. - Tel.:069/96200188
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Blinder Fleck unter dem Tschador

Zwei Ausstellungen mit Arbeiten von Parastou Forouhar in Frankfurt

Natürlich kennt die Künstlerin diese Szenen, Drangsalierung und Gängelung, Repression und Bespitzelung, Willkür und absurde Szenen bei Amtern, Behörden und Gerichten in Teheran, Aber anders als noch in ihrer Arbeit mit Briefen, Eingaben und Zeitungsausschnitten, die, vor gut einem Jahr an gleicher Stelle zu sehen, Parastou Forouhars Bemühungen um die Aufklärung des Mordes an ihren Eltern dokumentierte, ist "Schuhe ausziehen" eine Installation, die die rein persönliche Ebene verläßt. Das Schaufenster des Frankfurter Ausstellungsraums de Ligt (Oppenheimer Straße 34a) ist geschlossen. Allein der Bildschirm eines Fernsehers ist zu sehen, über den in scheinbar unendlicher Folge Zeichnungen in Schwarzweiß vorüberziehen.

Ein knapper Satz kommentiert die Situation vor dem Militärgericht, bei der Dokumenteneinsicht oder in einem Imbiß: "Gerade sitzen", "Schuhe ausziehen". Im Innern des Ausstellungsraums hängen die von klaren, schwungvollen Linien geprägten Zeichnungen in verkleinerter Form noch einmal an der Wand, wo man sie genauer studieren kann. Im Hintergrund sind auf einem wandfüllenden Stadtplan der iranischen Hauptstadt die Orte des Geschehens markiert. Und erst jetzt wird deutlich, warum die Arbeiten so beunruhigend wirken: Keine der Personen hat ein Gesicht, nur ein blinder Fleck leuchtet dem Betrachter entgegen. Da war sie einmal, die Persönlichkeit, das individuelle Schicksal; hier sind alle gleich, im schlechtesten nur denkbaren Sinne, nämlich nichts.

Nur die Mächtigen, Ajatollahs und Militärs, heben sich ein wenig ab: Der Bart gibt ihrem Antlitz Kontur. Diese verschwundene, unerwünschte Individualität steht auch im Zentrum der Fotoarbeiten der 1962 in Teheran geborenen Forouhar, die derzeit unter dem Titel "blind spot" in der "AusstellungsHalle Schulstraße IA" zu sehen sind. Vor allem die großen Formate bestechen in ihrer Wirkung. Die Künstlerin, die in Teheran und an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung studiert hat, lichtete für diese Serie Männer im Tschador ab und ließ sie dabei so posieren, daß allein der kahle Hinterkopf und gelegentlich eine Hand daraus hervorschauen. Freigestellt vor rein weißem Hintergrund, scheinen die Figuren beinahe zu schweben, wird der Mensch unter dem faltenwerfenden Tschador auf manchen Bildern zur Plastik, zu reiner, ästhetisch als schön empfundener Form. Politische Aussage, Geschlechterfragen und formales Arrangement der Fotografien verschwimmen in jedem einzelnen Bild, verunsichern und verwirren den Betrachter durch ihre ambivalente Wirkung. Eindeutige Interpretationen verbieten sich. Aber eines ist klar: Auch hier fehlt das Gesicht, behauptet sich statt dessen eine Leerstelle. Nur der Haarkranz, der in der gebotenen Ansicht an einen Bart gemahnt, verweist auf die Herrschaft der Ayatollahs. Der Macht und ihren Opfern, beiden, so offenbar das Bestreben Parastou Forouhars, gilt es, ein Gesicht zu geben. ("Schuhe ausziehen" ist bis 8. Mai jeweils mittwochs von 18 bis 21 Uhr geöffnet. Die Fotografien sind noch bis 14. April Mittwoch und Donnerstag von 18 bis 21 Uhr, Freitag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr in der "AusstellungsHalle Schulstraße 1 A" zu sehen.) schü.

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 09.04.2001)

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Hauptsache Hausschuhe

Hausschuhe, dutzende Hausschuhe. Grausam ist das. Jeder darf sich ein Paar aussuchen, "damit es richtig gemütlich wird.« Sagt Frau Beetz oder Frau Keinfert. Leute, die Hausschuhe tragen, essen auch Fleischwurst zum Frühstück, warm und mit viel Senf Wurst gibt es nicht in der Ausstellungshalle Schulstraße la, aber Hausschuhe eben, Hinter der Wand, vor der die Hausschuhe stehen, sitzt die Familie, noch nicht ganz vollzählig, auf bekissten weißen Schalenkunststoffsesselimitaten. Fürjede Dreier- oder Vierergruppe gibt es einen kleinen weißen Tisch. Auf dem stehen und liegen eine Flasche Rotwein, eine Flasche Wasser, Nüsschen, ein Päckchen "Wollt ihr Elfmeterschießen?" und Spielsachen.

Vorne sitzen zwei junge Frauen auf einem alten hässlichen Sofa. Die kleinere mit den kurzen schwarzen Haaren heißt Sylke Spender, die größere mit der roten Lederhose Mogli Cruse. Wahrscheinlich. Mehr Namen sind nicht zur Auswahl. Die Familie wartet gespannt auf den Beginn der Performance Storyteller. Mogli und Sylke trinken Wein, tuscheln, rauchen und hören Musik.

 

Die schwer intellektuellen Mitglieder der Familie tauschen noch rasch Termine aus sowie Wasser, Wein und Erdnüsse.

Mogli und Sylke legen los. Sie waren aus und kein Mann habe sich für sie interessiert. Mogli sagt, ihr komme es manchmal so vor, als ob jemand anderes ihr Leben lebte. Ob es Sylke auch so ginge? Nein, aber sie habe da mal eine Mitbewohnerin gehabt, eine schizophrene. Die beiden Frauen erzählen sich, wie der Name ihrer Performance schon sagt, Geschichten aus ihrem jungen Leben: von der ersten Liebe, von lesbischen Versuchen, von Panikattacken. Sie spielen Flaschendrehen, filmen sich, tanzen. Auch ein Streit darf natürlich nicht fehlen. Sylke schneidet Moglis Teddybär kaputt.

Es wird dunkel. Sylke beendet die Performance, die eigentlich ein Theaterstück ist, mit Gute Nacht, John Boy". Die Familie ist begeistert. Die Hausschuhe sind dankbar.

(Frankfurter Rundschau vom 03.02.2001)

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Verwarnung für den hölzernen Andy

Nur für Krieger: Tanzen im Boxring bei der "Ultimate Dance Competition" in der AusstellungsHalle

Von Christoph Schröder

Wer wimmert denn da? Ach so, Musik, sehr seltsame. Hinter der großen Wand in der Ausstellungshalle Schulstraße ist ein Boxring aufgebaut. Aber die beiden Figuren im Ring prügeln nicht aufeinander ein. Wäre auch ein ungleiches Duell. Sie tanzen. Sie werden das so lange tun, bis einer von beiden nicht mehr kann, schlimmstenfalls erschöpft zusammenbricht. Denn dies ist ein knallbarter Wettbewerb, konzipiert nur für echte Krieger - die Ultimate Dance Competition".

Die Teilnehmer des Wettbewerbs, so wurde uns versprochen, haben ihr Leben lang trainiert, um an einem Ereignis wie diesem teilnehmen zu können, um einen Krieg zu führen gegen Erschöpfung, Hunger und Durst. Die Regeln sind einfach: Ein Team besteht aus zwei Kämpfern; pro Runde sind drei Auswechslungen erlaubt. Essen oder Trinken ist im Ring verboten; ebenso wie kurze Ruhepausen, das Anspueken des Gegners oder die Wiederholung ein und derselben Tanzbewegung für länger als eine Minute. Die Musik wird vom Publikum nach dem Zufallsprinzip ausgewürfelt.

Pedro tritt für das Team Body Rock" gegen Steffi vom Team Burner" an und ist permanent in Bewegung, joggt flink durch den Ring und lässt seine kleinen Zöpfchen fliegen, umkreist Steffi, wälzt sich am Boden.

Dagegen ist Tänzerin Steffi, die, wie Sandra neben mir findet, eine Steffl-Frisur und Steffi-Beine hat, doch eher eingeschränkt in ihrem Bewegungs-Repertoire, das eher am klassischen Ballett orientiert ist. Nach fünf Stunden und 59 Minuten gibt Steffi endlich auf, sonderlich erschöpft sieht sie nicht aus, aber vielleicht sind ihr einfach die Tanzbewegungen ausgegangen? Pedro hatte den Sieg in jedem Fall verdient. In der nächsten Runde hat Steffi Pause; ihr Teamkollege Andy kämpft gegen Ariane vom Team Self Starter". Andy zeichnet sich durch eine besonders nervige Handund Annverrenkungstechnik aus und wirkt überhaupt sehr steif und eckig. Selbst als irgendjemand (die hübsche Frau mit den langen Rastalocken?) die Jane-Fonda-Aerobic-Platte auswürfelt (Sandras Mutter hatte die damals auch), bleibt Andy seiner hölzernen Linie treu, während Ariane sich wenigstens passend zu ihren Trainingsstulpen um ein paar Stretch-Übungen im Stil der achtziger Jahre bemüht. Völlig verdient kassiert Andy dann auch die erste Verwarnung. Kein Anzeichen von Erschöpfung nach der ersten Stunde. Es wird noch lange dauern, bis Pedro wieder kommt. Arianes Ersatzmann Matija muss noch auf seinen Einsatz warten. Möglicherweise tanzen sie noch heute.

(Frankfurter Rundschau vom 27.02.2001)


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Auf den Strich gebracht

Sieben Zeichner in der Ausstellungshalle IA

Von Dorothee Baer-Bogenschütz

Späte Antwort auf die Frühromantik? Was Christine Steiner mit Blumen und'.C.esichtern sagt, lässt an Philipp Otto Ruhge denken, den Begründer der romantischen Kunst in Deutschland, und seine eigentümliche Weise, Pflanzen und Menschen miteinander ins Bild zu setzen. Fragen nach dem Woher und Wohin ergeben sich in der aktuellen Ausstellung von Robert Bock mehrfach. Auf vielerlei Ebenen vermitteln die Beiträge zwischen dem Naturhaftern und dem reflektierten Umgang mit Trieb und Instinkt. Keine thematische Klammer verbindet die Arbeiten von sieben ehemaligen Städelschülern, sondern allein das Medium Zeichnung, dennoch fallen Parallelen zwischen den Werkblöcken auf.

Bemerkenswert iat, dass die Künstler hautnah das Heute fixieren und sich dabei von kunstgeschichtlichen Suiets und Stilarten beeindruckt zeigen. Vom RealityTV und Vermeer-Mädchen, von Elfenreigen und Pornoszenen gehen die Erkundungen im Zeichen der Zeichnung aus; feine Ironie bis deftiger Spott kennzeichnet sie.

Maria Bubenik hat der Bauch- und Busenwuchs bei der Schwangerschaft zu Collagen von Brüsten veranlasst, die aus Blüten wachsen.

Micki Tschur nahm das Orgien-Mysterien-Spektakel Nitschs, bei dem sie studiert hat, zum Anlass für einen Aquarellzyklus. Sie dokumentiert in ihren Miniaturen Szenen seines Sechs Tage-Spiels: Perfekte Vorlagen für Andachtsbildchen, wenn denn rund um die Aktionen Nitschs der Devotionalienhandel blühte.

Thomas Erdelmeier beschäftigt sich in seinen Zeichnungen und Aquarellen mit Eindrücken aus dem Seience Fiction-Bereich und TV-Shows.

Er ersinnt irritierende Parabeln mit durchgeknallten Typen, beäugt Kandidaten-Karussells und Kameramänner, die sich auf Panzersoldaten einschießen. Wo da das Denkwürdige liegt? Sicher nicht in jenem Bett, unter dem die Ratten rennen, während ein Ufo-artiges Ungetüm auf dem Boden aufsetzt. Sven Tadic setzt sich am liebsten aufs Pferd. Altmeisterlich und mitunter mythologisch untersucht er in seinen Bleistiftzeichnungen die Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Corinna Mayer geht es um die Übertragung kunsthistorischer lkonen in die Gegenwart. Dabei sind ihre Buntstiftzeichnungen nach Vorlagen von Georges de la Tour oder Jan Vermeer so verfremdet und fragmentiert, dass sich der Betrachter ein Deja vu-Erlebnis erst erarbeiten muss. "Es ist die Spannung zwischen der Nähe, die man beim Zeichnen erfährt, und dem Abstand, den man zur dargestellten Person hat, die reizvoll ist," findet Nino Pezzella, der die Gruppenausstellung mit Aktzeichnungen bestückt hat, die stets Porträts sind. Dabei fühlt er sich der linearen Zeichnungstradition Italiens mehr verpflichtet als der expressiven Auffassung diesseits der Alpen. Trotz einiger Derbheiten unterhalb der Gürtellinie haben die Teilnehmer der Ausstellung mit dem Medium Zeichnung mehr im Sinn als die Präsentation schwellender Körperteile: das ganze Spektrum der Motive, die Künstler immer schon auf den Strich brachten.

(Frankfurter Rundschau vom 14.03.2001)

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Zeit für ein Butterbrot

"Three Seconds" von Martin Schwember und Allison Brown

Von Florian Malzacher

Drei Sekunden ... einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig ... so lange dauert sie, unsere Gegenwart, die Spanne der Präsenz, die Zeit, die wir als zusammenhängend wahrnehmen können, der Moment, bevor alles in der Vergangenheit versinkt.

Die Bewegungen sind kurz, nur angedeutet, verrutschen sofort wieder, knicken ab, sind nur ein Moment für die Kamera, die ganz nah gehalten wird: Nur Fragmente ihres Körpers, Fragmente ihrer Bewegung: "You will not remember this passing moment soon", verkündet der Videotext. Einen Augenblick, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Und alles ist vorbei.

Martin Schwember, HfG-Student, bekannt durch seine Postkarten zum ,'Schmalclub", hat zusammen mit Allison Brown und Amancio Gonzalez vom Frankfurter Ballett eine Raum- und Bewegungsanordnung geschaffen, die sich mit einem der ältesten und wesentlichsten Performance-Themen souveran und originell beschäftigt: Der Rolle von Zeit, der Gleichzeitigkeit von Zuschauen und Agieren, der Präsenz. Und diese in Raum und Bewegung übertragen. Three Seconds setzt so eine von Reihe von Performances und Installationen fort, die von der Beetz & Kemfert Kunstberatung in der AusstellungsHalle Schulstraße 1 organisiert wird.

Drei Sekunden also, die Zeit der Gegenwart, wie der Hirnforscher Ernst Pöppel herausgefunden hat. Zusammenhänge darüber hinaus werden konstruiert, rekonstruiert. Und Zeit lässt sich, ebenfalls nach Pöppel, auf verschiedene Weise erleben:

Als Gleichzeitigkeit, Ungleichzeitigkeit, zeitliche Folge, Gegenwart, Dauer.

Mit all diesen Wahrnehmungen spielt Schweinber und so haben auch die Bewegungen von Allison Brown zuerst keinen Fluss, werden abgebrochen, knicken weg oder vernuscheln. Draußen sinkt die Dämmerung, drinnen flimmern die drei hintereinander stehenden Monitore, zeigen Bewegungs- und Körperausschnitte, wie sei eingangs aufgenommen sein mögen.

Die Musik - erst eher isolierte, hart übersteuerte, fast sphärisch verwischte Elektroklänge - fügt sich langsam mit den ruckartigen, manchmal fast hektischen Bewegungen zu längeren, klarer strukturierten Passagen, zu einem Rhythmus, dann gerät Brown in eine Art rückwärts gespulte Zeitlupe - und das Bild wechselt: Nun liegen Brown und Gonzalez vor dem Videobeam eines stürmischen Badestrandes; dem Wind zum Trotz und den zuweilen fliegenden Sonnenschirmen harren Badegäste wie Performer liegend aus, bis zur nächsten Szene. In der dann zeitliche Dauer (besonders die Drei-Sekunden-Marke) ironisch am Beispiel des Toastens verbal und als Wandzeichnung demonstriert wird: Wie lange braucht es, um ein Brot auf beiden Seiten zu bräunen und zu buttern?

Und dann ist schließlich alles schon Vergangenheit, vom Sofa aus werden die Filmfragmente des Beginns im Schnelldurchlauf betrachtet, manchmal zurückgespult, Momente herausgegriffen wie in der Erinnerung. Und die Zukunft schafft sich (aus Versehen?) ebenfalls Raum: Das digitale Datum am Bildrand datiert vom kommenden Tag.

(Frankfurter Rundschau vom 06.09.2001)

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As Time Goes By

Martin Schwember und Allison Brown vermessen Zeit und Zeitgefühl mit Video und Tanz.

Langsam, mit zunehmender Dämmerung, dann Dunkelheit, werden die Projektionen deutlicher. Auch die Musik schwillt an, der Tanz wird kräftiger. Martin Schwemher und Allison Brown geht es in ihrer Performance-Installation "Three Seconds" um die Wahrnehmung von Zeit und Gegenwärtigkeit. Und um das Verhältnis dieses jetztgefühls zum Vergangenen und zum Erwarteten innerhalb der gemeinsam mit den Zuschauern verbrachten Zeit. Seit zwei Jahren veranstaltet die Beetz & Kemfert Kunstberatung in der Ausstellungshalle Schulstraße 1 ihre experimentelle Reilie mit Raumerfahrungen, bei der bislang unter anderem Fensterbilder von Sandra Mann,

Videoarbeiten von Julia Oschatz und Bianca Rampas, sowie zuletzt eine Performance-Anordnung in der Regie von Susanne Kessler zu sehen waren.

"Three Seconds", mit denen diese Reihe nun fortgesetzt wird, ist die erste gemeinsame Arbeit von Martin Schwember, der als HfG-Student unter anderem durch seine Postkartengestaltung für den Schmalclub bekannt ist, und Allison Brown, Tänzerin im Ensemble Frankfurt. "Three Seconds", drei Sekunden, das ist nach dem Psvchologen Ernst Pöpperl - die Zeitspanne dessen, was wir, zusammenhängend als "jetzt" erleben Florian Malz

(Journal Frankfurt vom 01.09.2001)


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Brückenschlag

Viele Frankfurter hätten Schwierigkeiten, die Alte Brücke unter den zahlreichen Brücken der Stadt zu identifizieren. Dabei ist die Alte Brücke in gewisser Weise das bedeutendste Baudenkmal der Stadt. Fast sieben Jahrhunderte war sie - wenn auch in vielen verschiedenen Erscheinungsformen - der einzige befestigte Obergang über den Main weit und breit. Sie war bie wichtigste Voraussetzung für den Aufstieg Frankfurts zu einer führenden Handelsmetropole in Deutschland und Europa. Daß die Brücke heute kaum noch wahrgenommen wird, liegt am lieblosen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg: Sie präsentiert sich als Stadtautobahn der sechziger Jahre auf Sandsteinbögen der zwanziger Jahre.

Jetzt soll die Brücke saniert und verschönert werden. Gestern hat das Preisgericht des Architektenwettbewerbs entschieden. Als wolle es die politischen Gremien der Stadt zu einer Grundsatzentscheidung über ihr architektonisches Selbstverständnis zwingen, hat es zwei Entwürfe ausgezeichnet, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Albert Speer & Partner haben einen sachlichen, ingenieurhaften Entwurf vorgelegt, der die Eingriffe'der Nachkriegsmoderne bestätigt, sie aber auf einen aktuellen und ansehnlicheren Stand bringt.

Christoph Mäckler will dagegen die Bebauung von 1926 teilweise wiederherstellen, indem er Brüstungen aus Sandstein vorsieht.

Mäcklers Entwurf fügt sich in die Planungspolitik, die seit rund zwanzig Jahren in Frankfurt im Umgang mit Baudenkmälern verfolgt wird. Die überlieferte Bausubstanz wird erhalten, zum Teil ergänzt, jedoch für heutige Nutzungsanforderungen hergerichtet. Der Wiederaufbau der Alten Oper, die Fachwerkhäuser am Römerberg und die Rekonstruktion des Leinwandhauses sind die herausragenden Beispiele.

Diese Politik ist angemessen, weil sie mit der versehrten Identität einer geschundenen Stadt rücksichtsvoll umgeht. Viel spricht daher dafür, Mäckler mit der Sanierung der Alten Brücke zu beauftragen. Zumal er sich nicht auf unangebrachte, nostalgische Rekonstruktion beschränkt, sondern Elemente aus der letzten Wiederaufbauphase bewahrt - und eigene Ideen hinzufügt, die mit der Baugeschichte spielen. In der neuen Alten Brücke könnte sich ihre Geschichte mit dem Gestaltungswillen des Architekten zu einem harmonischen Ganzen vereinen.

MATTHIAS ALEXANDER

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.09.2001)


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Alte Brücke wird erneuert

Frankfurt am Main (hvve)

Eines der historisch wichtigsten Gebäude der Stadt Frankfurt, die Alte Brücke, soll jetzt endlich saniert werden, nachdem sie in den 50er und 60er Jahren nach dem zweiten Weltkrieg nur behelfsmäßig aufgebaut und neugebaut worden war,

Wie wichtig die 1222 erstmals erwähnte Brücke für die Stadt Frankfurt am Main war, beschrieb Friedrich Bothe in seiner"Geschichte der Stadt Frankfurt am Main": "Sie ist wie eine Art Heiligtum angesehen worden. Sie war eine Treiung' und niemand durfte auf ihr Streit anfangen, widrigenfalls ihni die frevelnde Hand abgeschlager, wurde." Andererseits -wurde dem, der für den Erhalt der Brücke spendete, sogar Ablass erteilt.

Diese hohe Wertschätzung der Alten Brücke rührte nicht zuletzi daher dass sie die einzige trockene Überquerung des Maines war und damit sowohl fiü das wirtschaftliche Wohlergehen der Frankfurter verantwortlich war. wie auch die Interessen dei Kaisei und Könige bediente, die deshalb zur Reparatur auch Holz aus ihrem Reichsforst spendierten. Ende der ältesten Zeichnungen der Alten Brücke findet sich wohl auch deshalb bereits in einem Betbuch aus dem Jahr 1405.

Das ist auch die tiefere Bedeutung, warum der moderne Magistrat der Stadt Frankfiart am Main gerade die Alte Brücke mit besonderem Aufwand restaurieren lassen will und dafür sogar einen eigenen Architektenwettbewerb ausgeschrieben hat. 204 Entwürfe wurden eingereicht, aus denen zwei zweite Preise ausgewählt wurden, die beide aus Franktfurt am Main gekommen sind: Die Büros von Albert Speer und Christoph Mäckler dürfen jetzt die von ihnen erarbeiteten Vorschläge mit den Kritiken der Preisrichter überarbeiten.

Danach wird sich die Stadt füi einen der beiden Entwürfe entscheiden.

 

Christoph Mäckler ist die Aufgabe mit einem an die Geschichte der Brücke angelehnten Turm angegangen und erinnert durch eine wiederhergestellte Sandsteinbrüstung an das frühere Aussehen der Brücke. Den ehemaligen Mühlenturm setzt er in moderner Form auf die Maininsel. Er soll nach Mäcklers Vorstellungen Gastronomie und eineAussichtplattforin aufnehmen. In dem er die Gehwege auf einer eignen Konstruktion neben der Fahrbahn platziert, wurde es leichter die geforderten fünf Fahrspuren zu realisieren.

Der Wettbewerbsentwurf von Albert Speer belässt es bei der jetzigen flachen Silhouette der Alten Brücke, dessen leicht geschwungene Stahlträger in der Brückenmitte an den ebenfalls aus seinem Büro stammenden Holbeinsteg erinnert. Auf der Maininsel erweitert Speer die Brücke zu zwei Bastionen, was die Jury zu dem Lob von "zu hoher Aufenthaltsqualität veranlaßte. In eine der Bastionen soll die Statue Karls des Großen einziehen, die zurzeit noch vor dem Historischen Museum steht. Die Bauarbeiten für die neue Alte Brücke sollen im Jahr 2004 beginnen und eineinhalb Jahre dauern. Die Baukosten werden ersten Schätzungen zufolge 30 Millionen Mark betragen.

(Frankfurter Neue Presse vom23.09.2001)


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Innere Landschaften

Werke von Cristina Herradas Martin in der "AusstellungsHalle"

Die Erinnerung spielt einem ja seltsame Streiche. Nie war das Meer so blau, der Himmel so rot, die Felder so gelb wie damals. Weißt du noch? Fotografien reichen niemals an die gesehenen Bilder heran, Ansichtskarten sind ohnehin manipuliert, und doch, diese Farben, das Licht, wie gemalt. Leicht läßt man sich verführen, in den Landschaften Cristina Herradas Martins die derzeit in der Frankfurter "AusstellungsHalle Schulstraße lA" zu sehen sind, idealisierte, durch vage, mit der Erinnerung verschmelzende Gemütszustände verklärte Ansichten zu vermuten. Doch der Ansatz der 1974 in Madrid geborenen Meisterschülerin von Hermann Nitsch ist ein anderer.

Weder geht es ihr um Landschaftsschilderungen nach der Natur, noch läßt sie sich für ihre Malerei von tatsächlich geschauter Landschaft, von Fotografien oder Postkarten inspirieren. Eher scheint es umgekehrt. Von inneren Traumbildern möchte man sprechen, die Martfn auf Leinwand festhält, Manifestationen innerer Landschaften vor glühenden Horizonten. Die "paisajes reconocidos" wirken wie Variationen im Grunde wenig spektakulärer Kompositionen wie dem immer wieder in schillerndem Türkis leuchtenden See, ein paar Hügel- oder Dünenketten hinter denen man das Meer ahnen mag, und einem von Pink bis Violett in kräftigen Farben irritierend leuchtenden Himmelszelt.

In den kleineren, teils nur kachelgroßen oder kreisrunden Landschaften in Öl auf Holz hingegen zeigt sich die junge, ungemein produktive Malerin wagemutiger, riskiert mehr.

Hier spielt einerseits der freiere Gestus eine größere Rolle, andererseits verschleiern die runden, auf goldfarbener Grundierung entstehenden Tableaus ihren artifiziellen Charakter keineswegs.

Einen Hoffnungsschimmer, der mehr ist als schlichte Projektion, möchte man mit der aktuellen Ausstellung - der ersten nach einem halben Jahr, währenddessen niemand zu sagen vermochte, wie es in der Schulstraße weitergehen würde - gerne auch über der "AusstellungsHalle" sich abzeichnen sehen. Immer wieder hat Robert Bock in den vergangenen Jahren vor allem junge Künstler in der ehemaligen Waschhalle gezeigt, und die Schau mit Arbeiten der Städelabsolventin läßt abermals ermessen, welchen Verlust es für die junge Frankfurter Kunstszene bedeutete, müßte einer der schönsten und in jeder Hinsicht offensten Kunsträume der Stadt tatsächlich endgültig schließen.

CHRISTOPH SCHÜTTE

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.03.2004)

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Firmament in Fuchsia

Glühende Landschaften: Cristina Herradas Martín in der Ausstellungshalle 1 A

VON DOROTHEE BAER-BOGENSCHÜTZ

Ungerührt blieb nur der Kirschlorbeer. Gleichmütig blinzelt er durch ein Fenster der alten Wäscherei auch in der ausstellungsfreien Zeit. Jetzt gibt es dort jedoch, nach halbjähriger Pause, wieder etwas zu sehen. An den Wänden des Waschhauses glühen Landschaften in Schockfarben. Tief liegen die Horizonte, fuchsiafarben flammen die Himmel. Karminrot schlängeln sich Wege durch bunte Vegetation, Gewässer verströmen türkise Rätselhaftigkeit. Irgendwo sonnt sich das Meer. Cristina Herradas Martín ist die kühne Pinselschwingerin. "Paisajes reconocidos" - anerkannte Landschaften - lautet der mit ironischem Unterton gewählte Titel, den sie ihrer Schau in der Ausstellungshalle Schulstraße 1 A verpasst.

Trotz städtischer Subventionsverweigerung hat es deren Leiter Robert Bock erneut geschafft, in der Frankfurt-Sachsenhäuser Kunsthalle ein Fest der Sinne zu inszenieren. Die Malerin, eine Meisterschülerin von Hermann Nitsch, zeigt mehr als zwei Dutzend neue Ölgemälde - ausschließlich menschenleere Landschaften. Eine große Zahl verlässt die für die Gattung übliche Auffassung als Querformat. Die Madrilenin favorisiert das Rundbild. Dadurch erhalten ihre Naturmotive einen surrealen Anstrich.

Die Weite der Landschaft schrumpft auf Gucklochgröße. Teilweise reduziert Herradas Martín ihre opulenten Szenen auf abstrakte Formen. Der Betrachter erkennt: Auch wenn man so tiefvioletten Firmamenten, geisterhaften Bergketten und blutorangenen Wolkengebirgen in der spanischen Heimat der Künstlerin unter bestimmten meteorologischen Voraussetzungen sehr wohl ansichtig werden kann, so geht es ihr gleichwohl kaum um erinnernde Verklärung.

Das Kolorit der Spanierin ist kein Make-up, auch wenn einige Töne von der Schminkpalette vertraut sind. Ihren eigentümlichen Sog entfalten die Gemälde der Dreißigjährigen, indem sie Pfade zu Panoramen der Seele erschließen. Vielleicht sogar dort ihren Ursprung haben. Es ist die Gratwanderung zwischen Wahrheit und Vorstellung, die diese extremen Farbfantasien anziehend macht.

Ihre konzentrierte Präsentation ist ein neuerlicher Beweis für die Bedeutung der Kunstbetrachtung in der Waschhalle und ihre Möglichkeiten. Am 22. April eröffnet Kunsthistoriker Bock dort eine Gruppenschau, "um einmal mehr die qualitätvolle Vielfalt künstlerischen Schaffens" in Frankfurt darzustellen. Für sein Publikum steht es längst fest. Bocks Plattform ist nicht nur ein Fall für Kirschlorbeer.

(Frankfurter Rundschau vom 30.03.2004)

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Schneegestöber-Struktur

Zehn Maler zeigen, wie "Frankfurt abstrakt" aussieht

"Diese Halle ist ein Inkubator für die Kunst von morgen." Thomas Heimer, im Vorstand des Vereins Kunst in Frankfurt, welcher hinter der Ausstellungshalle in Sachsenhausen steht, attestiert Kurator Robert Bock Weitblick und Qualitätsgespür. Dabei ist der Kunsthistoriker, der im nunmehr sechsten Jahr das Programm der kleinen Kunsthalle verantwortet, nicht verrückt aufs Schrille und Schräge und verweigert sich konsequent vordergründiger Innovation im Zeichen aggressiven Tabubruchs. Das im Milieu zeitgenössischer Kunst grassierende Sensationsfieber bedient er nicht. Vielmehr setzt Bock auf traditionelle Medien - in erster Linie Malerei - und pflegt ein fast altmodisches Verständnis von Kreativität. Ohne Könnerschaft lässt er Kunst nicht gelten, legt Wert darauf, dass sich ein Bild auch sehen lassen kann in punkto Machart. Handwerkliches Versiertsein ist für ihn nichts Schlechtes. Mit der Werkschau für den ehemaligen Städelschulprofessor Raimer Jochims hatte er die Latte im Hinblick darauf unlängst sehr hoch gelegt.

Als nächstes: Weiß

Jetzt zeigt er die jüngere Generation. Zehn Maler um die vierzig, allesamt Städeischüler aus den Klassen von Jochims, Nitsch, Näher und Kirkeby, bestreiten "Frankfurt abstrakt«. Welches Rüstzeug gab ihnen die Akademie mit, und was bieten sie heute an, fragt eine pointierte Schau ungegenständlicher Positionen, die mit 13 repräsentativen Werken auskommt und Überraschungen bereit hält.

Das zweite Gesicht von Karsten Kraft ist zu sehen. Unlängst in der Ausstellungshalle noch mit Faunen und dem Gekreuzigten zu Gast, segelt er nun im wölkchenhaften Graublau Gotthard Graubners Farbraumkörpern hinterher, ohne allerdings die dritte Dimension einzubeziehen. "Sieben Jahre habe ich das Thema Kreuzigung bearbeitet und dabei alles gelernt, was man braucht, sagt der Nitsch-Schüler, "nach so viel Blut brauchte ich dann etwas Positives." Es gibt bei ihm schon länger monochrome Ansätze. Als nächstes will er weiße Bilder malen.

Das käme für Ulrich Becker kaum in Frage. Dem Meisterschüler von Per Kirkeby geht es darum, "mit Farbe und Form ein Bild zu verdichten". Dabei regen ihn Graffiti und "Aspekte von Stadt- und Alltagskultur" an. Becker sucht "viele Gestaltungselemente intelligent zu verzahnen% malt nicht nur, sondern schüttet die Farbe auch mal auf die Leinwand und legt die hinten liegenden Flächen zuletzt an, so dass der Betrachter im Bildraum die Orientierung verliert.

Regenbogen-Haare

Im Labyrinthischen bewegt sich auch Geske Slater mit starker Kohlemalerei. Dagegen präsentieren sich Gabriele Aulehla und Ekrem Yalcindag als Verfechter klarer Form und obsessiver Farbigkeit. Im Gegensatz jedoch zu der scharf konturierten, schablonenhaften Gestaltungslust des Nitsch-Schülers, der sein Bild wabenartig aufbaut, ist Aulehla lyrisch. Sie hat bei Jochims das Schichten-Versenken gelernt, ist eine Meisterin fließender farbatmosphärischer Übergänge. Die streifenartig dargestellten FarbLicht-Qualitäten ihrer Bilder gehen Hand in Hand mit räumlicher Illusion.

An ein meteorologisches Schaubild lässt das Wolkengebräu-Bild von Franziska Kneidl denken, strukturiertes Schneegestöber tupft Lionel Röhrscheid auf die Leinwand. Einen kompositorischen Sprung macht Özcan Kaplan. Er rückt gewinnbringend ab vom vertrauten Farbfeld und lässt mit einem Mal eine Bildfigur zu. Es sind die Haare seiner Tochter, die als abstraktes Motiv in allen Regenbogenfarben den Blick anziehen.

Mit kleineren Formaten sind Jutta Obenhuber vertreten, die feinen Wellenlinien etwas von Engelshaar verleiht, sowie Stefan Bressel, der Bilder paarweise malt und zwar spiegelbildlich: Eine ironische Reflektion auch über die Zaubertricks abstrakter Kunst. In dieser Ausstellung indes hüpft das Kaninchen bereitwillig für alle Künstler aus dem Zylinder, denn alle zehn sind Maler-Meister.

VON DOROTHEE BAER-BOGENSCHÜTZ

(Frankfurter Rundschau vom 09.07.2004)

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Teerschwarz, lichtweiß:

Zehn Maler zeigen, wie "Frankfurt abstrakt" aussieht

Man muß ja nicht immer gleich dramatisieren. Sicher, von einer Renaissance insbesondere der figurativen Malerei war im vorigen Jahr oft die Rede, einem Hunger nach Bildern und der Lust auf Farbe. Doch ungeachtet aller Trends und Moden: Gemalt wurde immer, figurativ oder abstrakt. Gerade in Frankfurt, wo an der Städelschule Professoren wie Per Kirkeby, Raimer Jochims oder Hermann Nitsch lehrten, aus deren Klassen immer wieder junge talentierte Maler hervorgegangen sind. Man muß sie nur zeigen. Wenn nun Robert Bock unter dem Titel "Frankfurt Abstrakt" in der Ausstellungshalle Schulstraße1a zehn Positionen ungegenständlicher Malerei präsentiert, dann darf man das durchaus auch programmatisch verstehen insofern, als in der ehemaligen Waschhalle vor allem Künstler aus Frankfurt und der Region ein Forum finden.

Und als dezenten Hinweis darauf, daß sich die Abstraktion mit der triumphalen Rückkehr der gegenständlichen Malerei keineswegs erledigt hat. Die Spannbreite der präsentierten Arbeiten reicht von der poppig-bunten, gestisch und flächig ausgemalte Partien gegeneinander setzenden Acrylmalerei von Ulrich Becker über die in Öl auf Nessel ausgeführten Streifenbilder Gabriele Aulehlas bis zu der geometrische und freie Lineaturen mit dem Kohlestift zu einem undurchdringlichen Geflecht verdichtenden Arbeit Geske Slaters. Ekrem Yalcindags "204 Farben" verblüfft über die akribisch aufgebaute, reliefartige und ornamentale Struktur hinaus durch das abrupte Kippen zwischen flächiger und plastisch körperhafter Wahrnehmung der Bildelemente.

Einen ganz eigenen Akzent setzt auch Franziska Kneidl mit ihren grauen, zwischen teerschwarz und lichtweiß changierenden Farbwirbeln im großen Format. Die 1967 geborene Künstlerin, die bei Christa Näher studiert hat, läßt in ihren Mischtechniken die Farbe hier wäßrig fließen, dort sich verdichtend stocken, konfrontiert wolkig undurchdringliche Passagen mit lichten Partien, und je nach Standpunkt öffnen sich weite, unermeßliche Räume, oder der Betrachter assoziiert im Gegenteil mikroskopisch feine, beharrlich sich durch die Leinwand fressende Strukturen. Spannend ist darüber hinaus auch der Blick auf die neuen Arbeiten jener Künstler, die in den vergangenen Jahren schon mit Einzelausstellungen in der Ausstellungshalle zu sehen waren.

Lionel Röhrscheid etwa, dessen das Verhältnis von Vorder- und Hintergrund thematisierende "transfigurative", mit kontrastreichen Farben operierende Malerei man noch vor Augen hat, präsentiert sich nun deutlich zurückhaltender und setzt weiße, tanzende Farbtupfer auf die rohe Leinwand. Und nicht zuletzt überrascht Karsten Kraft, der hier im vorigen Jahr einige großformatige Landschaftsbilder zeigte, mit zarten, wolkig-weißen Schleiern vor einer schier grenzenlosen, sich im wechselnden Tageslicht immer wieder neu darstellenden blauen Weite. Als schaue man in einen frühmorgendlichen Himmel, huscht hier und dort ein diffuser, leicht rosafarbener Hauch über die Fläche, scheint sich mal auszudehnen und an Leuchtkraft zuzunehmen und doch jederzeit bereit, im nächsten Augenblick schon wieder zu verschwinden.

CHRISTOPH SCHÜTTE

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Juli 2004)

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